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27. Januar 


Gedenken der Opfer des Nationalsozialismus - Bleibende Erinnerung und Mahnung

violett

Hüte dich und bewahre deine Seele gut, dass du nicht vergisst, was deine Augen gesehen haben, und dass es nicht aus deinem Herzen kommt dein ganzes Leben lang. Und du sollst deinen Kindern und Kindeskindern kundtun. 5.Mos 4,9


Der 27. Januar soll nach den neuen Perikopenbuch auch kirchlich als alljährlicher Gedenk-tag begangen werden, der in Unterschied zum 9. November nicht nur an die nationalsozialis- 

tisch organisierten, Gewaltmaßnahmen gegen Juden im gesamten Deutschen Reich erinnert, sondern alle Opfergruppen des Nationalsozialismus im Blick hat, wie sie beispielhaft 1985 in der Rede des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker zum Kriegsende genannt wurden. Es gab bereits verschiedene Materialhefte zu diesem Anlass. Hier werden insbesondere Vor-schläge der Aktion „Sühnezeichen“ aufgegriffen.


Predigtgottesdienst / Bußfeier


Vorspiel oder Stille 


Eröffnung (Begrüßung)

Im Namen Gottes, des Schöpfers, der jeden Menschen zu seinem Gegenüber berufen und mit Würde,  Lebensrecht und Freiheit gesegnet hat. Im Namen Jesus Christi, der als Künder des Reiches Gottes sich den Armen, Ausgegrenzten, Leidenden und Sündern zugewandt und Ver-söhnung unter die Menschen gebracht hat. Im Namen des Heiligen Geistes, der als Gottes-kraft zu Verantwortung und Einsicht ermutigt und in Barmherzigkeit trösten will. R: Amen.

Auch in der Kirche wollen wir heute am 27. Januar mit dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, an alle Opfer eines beispiellosen totalitären Regimes während jener Zeit  erinnern: Juden, Christen, Sinti und Roma, Menschen mit Behinderung, Homosexuelle politisch Andersdenkende sowie Männer und Frauen des Widerstandes, Wissenschaftler, Künstler, Journalisten, Kriegsgefangene und Deserteure, Greise und Kinder an der Front, Zwangsarbeiter und an die Millionen Menschen, die unter der nationalsozialistischen Gewalt-herrschaft entrechtet, verfolgt, gequält und ermordet wurden.“ Als dieser bundesweite, ge-setzlich verankerte Gedenktag im Jahres 1999 von damaligen Bundespräsidenten proklamiert wurde, führte er aus: „Die Erinnerung darf nicht enden; sie muss auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen. Es ist deshalb wichtig, nun eine Form des Erinnerns zu finden, die in die Zukunft wirkt. Sie soll Trauer über Leid und Verlust ausdrücken, dem Gedenken an die Opfer gewidmet sein und jeder Gefahr der Wiederholung entgegenwirken.“ (a) Der Termin erinnert daran, dass am 27. Januar 1945 Soldaten der Roten Armee die Überlebenden des KZ Auswitz-Birkenau  des größten Vernichtungslagers des Nazi-Regimes befreiten. (Auch wenn der 27. Januar dem Gedenken aller Opfer des Nationalsozialismus gewidmet ist, wollen wir uns in diesem Jahr auf die größte der Opfergruppen, die Juden, konzentrieren.)

oder

Der 27. Januar ist der „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“. Weltweit erinnern Menschen an die Opfer der NS-Diktatur sowie an jene, die Widerstand leisteten und NS-Verfolgte schützten. Am 27. Januar jährt sich der Tag, an dem die Rote Armee 1945 die Vernichtungs- und Kon-zentrationslager in Auschwitz befreite. [ 2005 riefen die Vereinten Nationen den Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaut am 27. Januar aus. Auch in weiteren Staaten wird im Rahmen eines nationalen Gedenktages an diesem Da-tum der NS-Opfer gedacht. Der israelische Gedenktag „Jom haScho’a“, die „Remembrance Days“ in den USA oder die Schoah-Gedenktage in Frankreich oder Österreich richten sich dagegen nach anderen religiösen Kalendertagen oder historischen Anläs-sen. Bereits 1999 hatte der damalige Bundespräsident Herzog einen solchen Gedenktag angeregt.]  In Deut-schland wird die Erinnerung weit gefasst, als Gedenktag an die Millionen der verschiedend-sten Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung, Ausbeutung und Vernichtung. Dies um-fasst unterschiedliche Gruppen neben den europäischen Juden, Sinti und Roma, Zwangsar-beiter, Kriegsgefangenen und Opfer des Vernichtungskrieges in Osteuropa sowie Menschen, die als Homosexuelle, mit einer Behinderung, als sogenannte „Asoziale“ oder aus politischen oder religiösen Motiven verfolgt wurden. - Bundesweit werden vor staatlichen Institutionen die Fahnen auf Halbmast gesetzt. Im ganzen Land finden Gedenkveranstaltungen statt. Dabei steht die Gedenkstunde im Deutschen Bundestag im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Neben der Auseinandersetzung mit der historischen Verfolgung im Nationalsozialismus werden auch aktuelle Fragen von Diskriminierung, Verfolgung und Menschenrechten thematisiert. „Wir müssen über Auschwitz sprechen und über die Verantwortung, die wir als Konsequenz und Lehre aus dem Geschehenen tragen, jede Generation neu. Sie ist eng verknüpft mit der Verpflichtung, die Würde des Menschen und seine unveräußerlichen Rechte zu achten, sie zu schützen und zu verteidigen. Keinen Raum mehr dafür zu lassen, andere Menschen zu stigma-tisieren, auszugrenzen, zu verfolgen.“ So fasste Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble den gegenwartsbezogenen Auftrag des Gedenktages im Rahmen der Gedenkstunde im Deutschen Bundestag 2020 zusammen.


Lied zum Eingang: Nimm von uns, Herr, du treuer Gott  - EG 146,1-3


Psalmgebet (gesprochen)

Aufruf: So spricht Gott, der HERR: Hüte dich und bewahre deine Seele gut, dass du nicht vergisst, was deine Augen gesehen haben, und dass es nicht aus deinem Herzen kommt dein ganzes Leben lang. Und du sollst deinen Kindern und Kindeskindern kundtun. 5.Mos 4,9

[Im Dank für die Befreiung der Opfer des Nationalsozialismus beten wir mit dem Psalm 126:]

Psalm 126  - Wenn der HERR die Gefangenen Zions erlösen wird – (EG.E.104 / EG 750)

oder  

[In Erinnerung der Leiden und der Hoffnung der Opfer des Nationalsozialismus beten wir mit dem Psalm 86:]

Psalm 86 – HERR, neige deine Ohren und erhöre mich (EG.E 75)


Tagesgebet

Beten wir weiter in der Stille vor Gott, dem Richter der Welt: - Stille - 

Gnädiger und barmherziger Gott. Mit diesem Tag werden wir erinnert an das Grauen, das durch die nationalsozialistische Herrschaft in Deutschland über Europa gebracht wurde und dem viele Millionen von Menschen zum Opfer gefallen sind. Es fällt uns schwer, diese Ver-brechen als Teil unserer Geschichte anzunehmen und zu begreifen, was Angehörige unseres Volkes anderen Menschen angetan haben. Mache uns empfindsam für den bleibenden Schmerz und den Zweifel an der Menschlichkeit des Menschen. Mache uns wachsam gegen alte und neue Feindbilder. Lass aus der Erinnerung an das Böse Kraft zum Guten erwachsen und ermutige uns,  der Möglichkeit von Vergebung und Versöhnung etwas zuzutrauen. So bitten wir um Jesu Christi willen, unseres Retters und Herrn. (c)

oder

Gott Israels, Schöpfer aller Menschen. Du hörst unsere Klagen und kennst unsere Fragen. Wir gedenken heute der verschiedenen Opfer des Nationalsozialismus, deren Blut zum Him-mel schreit. Wir erinnern uns der Verbrechen, die in unserem Land geschehen sind und von hier aus in andere Länder getragen wurden. Und wir sehen unsere Verantwortung heute. Wir bitten: Lass uns nicht vegessen, was geschehen ist, und hilf uns, alles zu tun, damit Ausch-witz nie wieder geschieht und wir gemeinsam Zukunft haben. Das gewähre uns durch Jesus Christus, deinen Sohn, unsern Retter und Herrn. (d)


¶ Alttestamentliche Schriftlesung 

 1. Mose 4,1-10 (V)  Kain, wo ist dein Bruder Abel

oder Prediger Salomo 8,10-14.17 (II) Den Gotttlosen wird es nicht wohlgehen


Antwortgesang: O Herr, nimm unsre Schuld - EG 235,1.2

 

¶ Epistel

Epheser 4,25-30 (I) Legt die Lüge ab und redet die Wahrheit

oder 1. Johannes 2,7-10 (IV) Wer seinen Bruder liebt, der bleibt im Licht


Antwortgesang: O Herr, nimm unsre Schuld - EG 235,3.4


¶ Evangelium 

Matthäus 10,26-28 (III) Es ist nichts verborgen, das nicht offenbar wird

oder Lukas 22,(31-34)54-62 (VI) Der Herr wandte sich und sah Petrus an


Antwortgesang: Menschen gehen zu Gott in ihrer Not - EG.E 3,1-3


¶ Ansprache
ggf. unter Verwendung von Impulsen einer örtlichen Initiative zur Gestaltung des Gedenktages 


Besinnung (Musik oder Stille oder Lied)


[ Bekenntnis 

Aufruf: Angesichts der Opfer des Nationalsozialismus erkennen wir auch unsere Verstri-ckung in Unrecht und Schuld und bekennen vor Gott: Wir liegen vor dir mit unserem  Gebet und vertrauen nicht auf unsere Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit.

(Dan 9,18) 

Psalm 51: Gott sei mir gnädig nach deiner Güte (EG.E 60 / EG 729)]


Fürbitten

Wir wollen an diesem Tag - beschämt vor dir, Gott, - der Gewalt eines beispiellosen totali-tären Regimes während der  Zeit des Nationalsozialismus und seiner Opfer gedenken: Gib, dass diese Erinnerung nicht endet, sondern auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnt. Hilf uns, lebendige Formen des Erinnerns zu finden, die in die Zukunft wirken. Von Trauer über Leid und Verlust bewegt, widmen wir unser Gedenken den verschiedenen Grup-pen der Opfer. Lass uns achtsam und einsatzbereit der Gefahr der Wiederholung entgegen-wirken. Wir rufen:

G: Kyrie eleison

Wir bitten dich, Gott:  Gib – auch durch unsern Beitrag – den Benachteiligten deine Gerech-tigkeit, den Stummgemachten deine Stimme, den Engstirnigen deine Weite, den Mutlosen deine Stärke, den Mächtigen diene Weisheit, den Gereizten deine Stille, den Flüchtenden deinen  Schutz, den Kindern deine Geborgenheit, den Schmerzgeplagten  deine Nähe, den Sterbenden dein Licht.  Wir rufen:

G: Kyrie eleison

Und wir bitten: Lass unser Gebet mehr sein als Ansammlung von Wünschen, als Pflichter-füllung aus Tradition, als Denkleistung – vielmehr sei es erfüllt von der Bewegung unserer Herzen.  Lege uns Worte in den Mund, die über das hinausreichen, was menschlich erreichbar ist. Mache unser Gebet stark und uns selber lebendig.  Wir rufen: (e)

G: Kyrie eleison
Alles, was gut ist, gewähre uns: alles, was still und stark; alles, was wärmt und weitet; was den Leib erfreut, das Herz bezaubert und die Seele birgt;  alles, was die Liebe stärkt und das Recht stützt komme über uns durch uns in die Welt.  (f) Vor dir werden wir still:

- Stille –

Wir machen uns die Worte Jesu zu eigen:


Vaterunser


Lied zum Ausgang:  Lass uns den Weg der Gerechtigkeit gehn - EG Wü 658,1-4

oder ein anderes Lied


[ Abkündigungen  -  Friedensbitte: Verleih uns Frieden gnädiglich - EG 421 ]


Segenswunsch

Der Friede Gottes erfülle, beschütze und ermutige uns. Gott segne und behüte uns. Er lasse sein Licht leuchten über uns und begleite uns auf dem schweren, doch schönen Weg durch die Zeiten. Die Kraft seines Geistes lasse uns beweglich werden. Er verleihe uns Frieden gnädiglich. 

R: Amen – so sei es! (g)


Nachspiel oder Stille


Gestaltung einer Buß-Vesper (mit dem Evangelischen Tagzeitenbuch)


Ps 51 Bekehrt euch zum Herrn von ganzem Herzen TZB 520

Ps 74  Erhebe dich, o Gott TZB 351

Ps 124 Wäre es nicht der HERR gewesen TZB 846

Resp (AT) HERR weise mir deinen Weg TZB 219

Resp (Ep) Wir haben gegen dich gesündigt   TZB 521

Resp (E)v Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz TZB 519

Statt Hymnus und Magnificat:

Kyrie-Tropos   Kyrie, Vater allerhöchster Gott TZB 901

Ps 79 Hilf uns, du Gott unsres Heiles. Vergib uns ... TZB 355


Anhang


Betrachtung  zum 27. Januar in der Feier als Wochengottesdienst

Roman Herzog (1934-2017) und Richard von Weizsäcker (1920-2015), Bundespräsidenten 

Als dieser bundesweite, gesetzlich verankerte Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialis-mus im Jahres 1999 von damaligen Bundespräsidenten Herzog proklamiert wurde, führte er aus: „Die Erinnerung darf nicht enden; sie muss auch künftige Generationen zur  Wachsam-keit mahnen. Es ist deshalb wichtig, nun eine Form des Erinnerns zu finden, die in die Zu-kunft wirkt. Sie soll Trauer über Leid und Verlust ausdrücken, dem Gedenken an die Opfer gewidmet sein und jeder Gefahr der Wiederholung entgegenwirken.“ Bundespräsident von Weizsäcker sagte am 8. Mai 1985 in seiner Rede zum Ende des Zweiten Weltkriegs: „Wir gedenken heute in Trauer aller Toten des Krieges und der Gewaltherrschaft. - Wir gedenken insbesondere der sechs Millionen Juden, die in deutschen Konzentrationslagern ermordet wurden. - Wir gedenken aller Völker, die im Krieg gelitten haben, vor allem der unsäglich vielen Bürger der Sowjetunion und der Polen, die ihr Leben verloren haben. - Als Deutsche gedenken wir in Trauer der eigenen Landsleute, die als Soldaten, bei den Fliegerangriffen in der Heimat, in Gefangenschaft und bei der Vertreibung ums Leben gekommen sind. - Wir gedenken der ermordeten Sinti und Roma, der getöteten Homosexuellen, der umgebrachten Geisteskranken, der Menschen, die um ihrer religiösen oder politischen Überzeugung willen sterben mussten. - Wir gedenken der erschossenen Geiseln.- Wir denken an die Opfer des Widerstandes in allen von uns besetzten Staaten. - Als Deutsche ehren wir das Andenken der Opfer des deutschen Widerstandes, des bürgerlichen, des militärischen und glaubensbegrün-deten, des Widerstandes in der Arbeiterschaft und bei Gewerkschaften, des Widerstandes der Kommunisten. - Wir gedenken derer, die nicht aktiv Widerstand leisteten, aber eher den Tod hinnahmen, als ihr Gewissen zu beugen.“


Quellen und Vorlagen

Soweit nicht anders angegeben sind Bibelverse wörtlich zitiert aus: Die Bibel nach Martin Luthers Übersetzung – revidiert 2017, © 2017, Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart

Der Ansprache liegt die Perikope nach dem aktuellen Predigtjahr zugrunde. Schrift- lesungen, Gesänge und Gebete können passend aus den weiteren Texten gewählt werden.

[ ] Durch Klammern gekennzeichneten Stücke können entfallen.

a vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/ Tag_des_Gedenkens_an_die_Opfer_des_Nationalsozialismus

b R.B. nach verschiedenen Materialien zum Gedenktag 27. Januar. 

c vgl. Aktion Sühnezeichen – Friedensdienste  - Gestaltungshilfe für den 27. 1. 2009

d vgl. Evangelisches Gottesdienstbuch (UEK/VELKD), Bielefeld/Leipzig 2020, S. 494

e vgl. Aktion Sühnezeichen – Friedensdienste  - Gestaltungshilfe für den 27. 1. 2012

f vgl. Aktion Sühnezeichen – Friedensdienste   - Predigthilfe zum 27. 1. 2020, S. 35

g vgl. Aktion Sühnezeichen – Friedensdienste   - Predigthilfe zum 27. 1. 2020, S. 36