Text als RTF-Dokument herunterladen

7. August 2021


Esra und Nehemia (blau # ), Kämpfer beim Wiederaufbau der jüdischen Gemeinde (nach dem Exil)

Der Gott des Himmels wird uns gelingen lassen; denn wir, seine Knechte, haben uns aufgemacht und bauen wieder auf. Neh 2,20


In manchen Kirchen der Ökumene (Orthodoxie, Anglikanische Kirche in Kanada, amerikanische Lutheraner (LCA) wird nicht nur der Apostel und überzeugenden „Heiligen“ aus der Geschichte des christlichen Glaubens gedacht, sondern auch zu besonderen Tagen an herausragende Gestalten des Ersten Bundes erinnert mit dem, was von ihnen im Alten Testament (Tora, Prophetenbücher, Schriften) überliefert wird. Ihrer zu gedenken könnte das „Thema“ für einen Wochen-Gottesdienst abgeben. Dazu werden Vorschläge für eine abendliche Feier (Vesper) mit Elementen aus der Tagzeitenliturgie geboten.


Abendgottesdienst <ç>


Eröffnung (Begrüßung)

Gelobt sei Gott, der HERR, der Gott Israels, der allein Wunder tut. Gelobt sei sein herrlicher Name ewiglich und alle Landes sollen seiner Ehre voll werden. (Ps 72,28.29) R: Amen.
Wir gedenken an diesem Tag zweier Gestalten, die für das Leben der jüdischen Gemeinschaft nach ihrer Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft von großer Bedeutung waren: Esra war nach der biblischen Erzählung des Alten Testaments Priester und Nachkomme des ersten Hohepriesters Aaron. Sein Name bedeutet „JHWH hilft“ bzw. „Gott ist Hilfe“. Er hatte „sein Herz darauf gerichtet das Gesetz des Herrn zu erforschen und zu tun und in Israel Satzung und Recht zu lehren.“ (Esra 7,10). Er lebte nach der Zeit des Babylonischen Exils im persischen Weltreich und gehörte zur jüdischen Gemeinde, die zum Teil noch in Babylon lebte, aber durch das Edikt des Kyros auch schon zu einem großen Teil wieder nach Palästina heimgekehrt war. Mit Vollmachten ausgestattet zog Esra etwa 458 v. Chr. nach Jerusalem. Erwähnt wird er im Buch Esra ab Kapitel 7. Esras Anliegen war, Recht und Ordnung in der neu formierten Jerusalemer Gemeinde herzustellen. Esras Autorität berechtigte ihn, in allen jüdischen Gemeinden Richter einzusetzen. Das galt auch für die Samaritaner, die um Jerusalem herum lebten und ihm gegenüber feindselig eingestellt waren. Er dürfte bedeutenden Einfluss auf Auswahl und Redaktion der heiligen Schriften und des mosaischen Rechts gehabt haben.
Mit Nehemia 1 beginnt ein „Ich“-Bericht des Nehemia, Statthalters des Perserkönigs Artaxerxes, ein hoher Beamter am persischen Hof, der mit dem Wiederaufbau Jerusalems, insbesondere der Stadtmauer, beauftragt war ( 445 v. Chr. ) In Neh 11-13 folgen Berichte Nehemias über die Wiederbesiedelung Jerusalems und des Hinterlandes, (Einweihung der Mauer, durch die Jerusalem zu einer „Heiligen Stadt“ wird, Abgabenordnung für das Heiligtum, Aussonderung aller Fremdvölker (Neh 13,3), Einhaltung des Sabbats, Verbot der Mischehen). Nehemia schließt seinen Bericht mit dem Wunsch, Gott möge die Reinigung des Volkes von allem Fremden ihm zugute halten (a)
[ Lied: O dass doch bald dein Feuer brennte (EG 256,1.7.8) ]


oder

 Eröffnung (Ingressus): Herr, tue meine Lippen auf (EG Wü 779.1)


Psalmodie (gesungen)

Leitvers: Meine Augen sehen stets auf den Herrn

Psalm 25: Herr, zeige mir deine Wege (EG Wü 764)

oder mit dem Evangelischen Tagzeitenbuch

Leitvers: Der HERR, unser Gott, verkündigt Jakob sein Wort, Israel seine Gebote und sein Recht.

Psalm 147 ALobe den HERRN! Gut ist es, unsern Gott zu spielen. (T 336)


oder Psalmgebet (gesprochen)

Leitvers: Du bist ein Gott, der vergibt, gnädig barmherzig, geduldig und von großer Güte. Neh 9,17b

Psalm 147 -  Lobe den HERRN (EG.E113)

oder Psalm 102 - HERR höre mein Gebet (EG E. 86 / EG 741)


Tagesgebet

Treuer Gott, du bleibst, der du bist. Du stehst über allem Wechsel in der Geschichte von uns Menschen und zeigst dich doch immer wieder neu. Hilf uns, dich zu finden und dir treu zu sein im Wechsel der Zeiten. Bei Abschied und Neubeginn lehre uns, nach dem zu suchen, was bleibt, und gibt uns Anteil an deiner Ewigkeit.  (b)


Lesung (Altes Testament): Nehemia 8,1.5.7b8.9a – Verlesung der Tora vor dem Tempel


Antwortgesang: Ich suche dich, Herr, von ganzem Herzen (EG Wü 780.5)


Lesung (Neues Testament): Matthäus 5,1-10 – Die Seligpreisungen


Antwortgesang: Gelobt sei der Name des Herren (EG Wü 779.4)


Betrachtung 


oder Vita (s. Anhang)


Lied: Lobe den Herren, den mächtige König der Ehren (EG 317!,1-5)


[ Canticum (c)

Leitvers: Der Herr hat uns aufgerichtet eine Macht des Heiles im Haus seines Dieners David.

Benedictus: Gelobt sei der Herr, der Gott Israels  (EG Wü 779.66)

 

Fürbitten

Heiliger Gott, Herrscher der Welt, Hüter deines Volkes. Wir danken dir, dass du durch die Jahrhunderte hindurch deiner Gemeinde treu geblieben und sie immer wieder erneuert hast Gib, dass wir gegenwärtig nicht nur die Vergangenheit feiern, sondern auch bedenken, was auch in Zukunft zu tun ist. Sorge mit deinem Wort dafür, dass wir nicht eigenen Ängsten und Wünschen folgen. Hilf uns durch deinen Geist, den richtigen Weg zu finden. Zu dir rufen wir:

G: Kyrie eleison.

Vertreibe mit deiner Güte die Furcht deiner Gemeinde, übertrumpft zu werden von den Angeboten des Aberglaubens und unterzugehen in der Verworrenheit unserer Zeit. Zu dir rufen wir:

G: Kyrie eleison.

Stärke die Gemeinden und gib ihnen festen Grund, wenn der Abbruch  bisheriger Traditionen ihnen die Perspektive raubt. Zu dir rufen wir:

G: Kyrie eleison.

Sei uns allen Schutz und Zuflucht, wenn uns die Welt unseres alten Glaubens und seiner Formen zusammenbricht und wir vor den Trümmern unserer Gewohnheiten stehen. Zu dir rufen wir:

G: Kyrie eleison.

Lass aus deiner heilsamen Gegenwart in uns neues Vertrauen wachsen. Gründe alle Gemeinden in deiner reue und bewahre dein Volk weltweit unter deinem Wort. Zu dir rufen wir: (d)

G: Kyrie eleison.


Vaterunser


[ Schlussgesang: Verleih uns Frieden gnädiglich (EG 421)
oder Schalom chaverim (EG 434) ]


Segen

Der HERR wird seinem Volk Kraft geben. Der HERR wird sein Volk segnen mit Frieden. (Ps 29,11)

R: Amen.



Anhang (Viten)


Die Bücher Esra und Nehemia beschreiben die Phase der Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft (nach 539 v.Chr) der Geschichte Israels. Esra wird von dem persischen König Artaxerxes nach Jerusalem gesandt, um dort die Ordnung des Gottes Israels wieder einzuführen. Mit ihm kehren nach Esra 8,1–14  weitere 1496 Menschen zurück. Er ordnet Priestertum und Tempeldienst und organisiert die Rückkehr weiterer Juden aus dem Exil. Er war unter den Weggeführten in Babylon und ihm wurde auf seine Bitte hin gewährt, nach Palästina zurückzuziehen. Reiche Geschenke an Silber und Gold wurden ihm für den Dienst am Hause Gottes mitgegeben. Er erwies seinen Glauben darin, dass er auf eine Eskorte für ihn und seine Gefährten als Begleitung verzichtete. Er rechnete auf die „gute Hand Gottes", die über ihm war. Ein besonderes Problem für die Wiedererrichtung der alten Ordnung in der Gemeinschaft der jüdischen Rückkehrer, sind die Ehen mit heidnischen Frauen. Esra ist darüber bestürzt und bittet Gott um Gnade. Zuletzt kommt es zur Trennung dieser Ehen. (Esra 7 - 10). Danach hören wir zwölf Jahre lang nichts mehr von ihm. Dann allerdings finden wir ihn auf einem Gerüst von Holz stehen (Neh 8,1-18). Er las dem Volk aus dem Gesetz vor. Dabei gaben die Leviten den Sinn des Wortes an. Dies verursachte zunächst große Trauer, doch anschließend auch Ermutigung und sogar große Freude, wie sie seit den Tagen Josuas nicht gekannt worden war. Bis auf die Erwähnungen in Nehemia 12,26.36 wird nicht mehr von Esra in berichtet. Josephus teilt mit, er sei in fortgeschrittenem Alter in Jerusalem gestorben. Gelegentlich wird davon gesprochen das Esra der Titel eines „Sohnes Gottes“ zuerkannt wurde, was besonders im Koran kritisiert wird (im koranischen 'Uzair wird die biblische Person namens Esra gesehen). Diese Behauptung kann für Rabbiner im Umfeld des palästinischen Talmud, wie aus dem Umfeld des babylonischen Talmud, für die jüdischen Philosophen des Mittelalters und für praktisch das gesamte Judentum ab dem 19. Jahrhundert zurückgewiesen werden.  Es steht außer Frage, dass Esra bis heute unter den Juden sehr verehrt wird. Denn einem persischen Staatssekretär jüdischer Abkunft war es zu verdanken, dass eine Version der Tora in der heute vorliegenden Form und erstmals in aramäischer Quadratschrift vorgelegt worden war. (e)

Erzählerisch schließt sich  das Buch Nehemia dem Buch Esra an. Es wurde historisch teilweise als „Zweites Buch Esra“ bezeichnet oder bildete zusammen mit dem Buch Esra ein einziges Buch, wie bei Josephus, im Talmud und bei Hieronymus zu lesen ist. Dadurch konnte die Zahl der kanonischen Bücher auf die Zahl der Buchstaben im hebräischen Alphabet (22) beschränkt werden, was symbolisch wichtig war für die Abgrenzung des Kanons gegenüber nichtkanonischen Büchern. (Protestantische und modernhebräische Bibeln enthalten zwei Bücher, benannt nach ihren Hauptpersonen: Esra und Nehemia.) Auf jeden Fall hängen beide Bücher eng zusammen. Chronologisch betrachtet  ist „Nehemia“ das letzte historische Buch des A.T. Nehemia, ein babylonischer Jude, 444 v. Chr. vom persischen König als Statthalter eingesetzt, kommt nach Jerusalem, um die Stadt wieder aufzubauen (Renovierung der Stadtmauer – 1,1-7,4, Wiederbesiedlung der Stadt -11,1-12,47.  Zentrales Anliegen des Buches in den Kapitel 8 bis 10 ist, die Identität der Gemeinde, ihre Abgrenzung nach außer, ihre Leitung und ihr Verhältnis zum persischen Weltreich zu klären. Vor allem die sog ‚Nehemia-Memooiren’, die in Ich-Form erzählt werden, zeigen die zwiespältige Haltung des Volkes gegenüber Nehemia seit Beginn seines Wirkens. Einflussreiche Personen werden als Gegner vorgestellt. Auch von Prophetinnen und Propheten, die im Gegensatz zu Nehemia die politische Selbstständigkeit der jüdischen Gemeinde fordern,  fühlt sich Nehemia bedroht. Zum Misstrauen von außen dürfte es eine Entsprechung im Charakter des Nehemia geben. In den Memoiren stellt er sich als Einzelkämpfer dar, der für seine Entscheidungen – ganz anders als Esra – niemanden zurate zieht. Sei eigenes – bereits zu spürendes – Misstrauen zeigt sich auch in der nächtlichen Inspektion der Mauer, die er allein abnimmt (2,12-16) (f)


Quellen und Vorlagen


Soweit nicht anders angegeben sind Bibelverse wörtlich zitiert aus: Die Bibel nach Martin Luthers Übersetzung – revidiert 2017, © 2017, Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart

# als eigenständige liturgische Farbe für das Gedenken alttestamentlicher Gestalten könnte das adventliche Blau (der Erwartung) verwendet werden, wie es in der schwedischen und finnischen Kirche sowie in einer Reihe amerikanischer Denominationen (z.B. Lutheraner, Episco-palian) -  für die Adventszeit -  gebräuchlich ist 

<ç> Der Entwurf wird in vollem Umfang vorgestellt, doch kann er entsprechend den aktuellen Corona-Regeln gestrafft werden

[ ] In Klammern gesetzte Stücke können entfallen

a vgl. Ökumenisches Heiligenlexikon zu Esra: www.heiligenlexikon.de

b vgl. Reformierte Liturgie, Wuppertal 1999, S. 148

c vgl. Bibel in gerechter Sprache zu „Über die Zeit Nehemias“, Gütersloh, S. 1402

d Die Verwendung des Benedictus als Canticum auch in einem Abendgottesdienst legt sich nahe, da in der östlich-orthodoxen Tradition Johannes der Täufer als Repräsentant des ersterwählten Gottesvolkes gesehen wird (vgl. Deisis).

e vgl.  wikipedia zur Esra

f vgl.  wikpedia zu Buch Nehemia